Frauen und Sucht
Wenn Frauen suchtkrank werden, wird dies in ihrem Umfeld anders wahrgenommen und bewertet als bei Männern. Dabei kommt das Thema Sucht bei Frauen immer häufiger vor: Heute sind ein Drittel der Abhängigen von illegalen Drogen und Alkohol Frauen. Bei Medikamenten-Abhängigkeit liegt der Frauenanteil sogar bei 70 Prozent. Alkoholsüchtige Frauen werden als peinlich empfunden – sie werden gesellschaftlich verachtet und diskriminiert. Daher versuchen betroffene Frauen zunächst schamhaft, ihr Problem selbst zu bewältigen und konsumieren isolierter und heimlicher. Die Angst, ihre Alkoholsucht könne öffentlich werden, ist in der Regel größer als bei Männern.
Christa (46): Schuld waren die anderen …
Die Botschaften, die mir mein Umfeld schickten, habe ich ignoriert. Kurzzeitig habe ich mich immer wieder zusammen genommen, nichts mehr getrunken, um mir zu beweisen, dass ich kein Alkoholproblem habe. Innerlich habe ich alle „Schuld“ von mir gewiesen. Die Anderen, das heißt, mein Mann, meine Eltern, meine Arbeit – sie sind daran Schuld, dass ich nicht glücklich bin. Ich bin hier nur die Tüchtige und Fleißige, die allen alles recht macht. Dafür wollte ich abends meine Mixgetränke und meine Ruhe. Das war der Inhalt meiner Tage. Alles andere, was ich sonst noch unternahm und veranstaltete, war Tarnung und schöne Fassade.
Frauenspezifische Suchtformen
Es gibt weitere Besonderheiten weiblichen Suchtverhaltens. Sie hängen zusammen mit der Art von Sucht, dem Suchtverlauf und den Ursachen, die mit den Lebensumständen und Erfahrungshintergründen von Frauen zu tun haben. Dazu zählen nicht selten psychische, körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen. Oft bricht das Suchtproblem erst nach einer lang versteckten Abhängigkeitszeit auf. Suchtkranke Frauen müssen zunächst lernen, die eignen Bedürfnisse zu erkennen und diese in oft schwierigen Beziehungen durchzusetzen. Frauen neigen als Mütter und Partnerinnen zu Aufopfererung, unklaren Grenzsetzungen und Selbstentwertung. Daher müssen sie verlorengegangenes Selbstbewusstsein wiederfinden und sich in belastenden Alltagssituationen bewähren. Hilfen für weibliche Abhängige verfolgen daher zunächst das Ziel, den betroffenen Frauen und Mädchen eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen definierten Geschlechterrollen zu ermöglichen. Der Zusammenhang zwischen der individuellen Biografie jeder einzelnen Frau, den vorgegebenen Rollenmustern und dem Suchtverhalten muss deutlich werden. Als Angehörige suchtkranker Männer sind Frauen kaum weniger hilflos als der Abhängige selbst. Ihre Gedanken kreisen um sein Verhalten, und ihr Leben ist massiv eingeschränkt. „Co-Abhängigkeit“ ist daher ein typisch weibliches Problem.